Donnerstag, 9. Juni 2011

"Übertraining"- Wenn zuviel Training langsam macht...

Hallo LäuferInnen,

die Gefahr zu viel des Guten zu tun und mit zu viel/zu hartem Training die Leistungsentwicklung als LäuferInn zu hemmen, ist im Frühsommer am größten.

“Übertraining“ ist eine schleichende Gefahr, die ambitionierten Freizeit-Läufern viel häufiger zu schaffen macht, als manch einer von uns glaubt. Jetzt im Frühsommer geben uns lange anhaltendes Tageslicht und moderate Temperaturen die Möglichkeit ein- oder gar zweimal öfter pro Woche zu trainieren als in anderen Jahreszeiten. Durch gute äußere Bedingungen lassen wir uns allzu gerne auch zu unangepaßt hohem Lauftempo verleiten.

Lesen Sie hier (im Juni-Newsletter vom Laufdoktor) warum gerade in dieser Jahreszeit „Eile mit Weile“ viel zweckdienlicher ist:

Neulich beim Dienstags-Lauftreff machten wir wieder mal Wiederholungsläufe. “Vier mal 5 Minuten und jeder in seinem eigenen Tempo” sollten in die Stunde Dauerlauf eingestreut werden. Es ist ja wieder Sommer und schließlich wollen wir alle zur Zeit (wieder mal) schneller werden.


Die Hälfte der Stunde war vergangen und bei der dritten Belastung lief ich am Schwanz der Gruppe neben Ines. Knapp dreissig, Beamtin und mit der Figur einer Ski-Rennläuferin. Sie schnaubte, kämpfte und schien irgendwie nicht zufrieden mit ihrer Leistung zu sein. Nach etwa einem Drittel des Tempolaufs bremste ich sie ab. Während die Wirbelwinde unserer Gruppe am Ende der Allee dem Wendepunkt entgegen stürmten, trabten wir aus.


Trainer,” keuchte sie vorwurfsvoll “warum haben wir abgebrochen?” Statt einer Antwort fragte ich nach Ihrem Puls. Der “Tacho” an Ihrem Handgelenk zeigte aktuell -in der zweiten Minute der Trabpause- 189 Schläge pro Minute.


Das ist bei mir so üblich” sagte Sie.“Auch wenn wir keine Belastungen laufen, habe ich nach etwa 10 Minuten immer einen Puls von über 170”.

Wohlgemerkt, wir sind die 6:30er Gruppe unseres Lauftreffs und laufen so knapp 9 km/h.


Ich denke man muss sich überwinden, um besser zu werden”,
erläuterte sie mir Ihre Trainingsphilosophie. “Ich habe mir vorgenommen dieses Jahr endlich 10 km unter 55 Minuten zu laufen. Ich probiere es jetzt schon seit 2 Jahren, doch es will und will einfach nicht klappen. Beim Firmenlauf war ich zweimal schon die langsamste aus unserem Ministerium. Sogar diejenigen, die ein Jahr nach mir mit dem Laufen angefangen haben, laufen schnellere Zeiten”, sagte sie ratlos.


Hast Du schon mal daran gedacht, langsamer zu trainieren?”, hakte ich nach.
“So, dass Dein Puls nur etwa 130 Schläge pro Minute beträgt?”


Ich weiß” sagte sie, “das habe ich schon gelesen. Doch das geht bei mir nicht, denn dazu müsste ich ja wandern. So langsam kann ich gar nicht laufen. Alle die ich kenne, tun weniger, laufen viel schneller im Training und verbessern ständig Ihre Bestzeiten. Warum klappt es bei mir nicht?” sagte sie mit einem Ton der Verzweiflung in der Stimme.


Ich fragte Ines weiter aus: Wie lange sie schon läuft, wie regelmäßig sie trainiert, was sie denn sonst so tut im Job und in ihrer Freizeit. Genügend Nachtschlaf?, Schilddrüsen-Überfunktion?, Medikamenteneinnahme?, usw. In keiner ihrer Antworten war ein Hinweis für ihre fehlende Leistungsentwicklung aufzuspüren.


Ines ist ein klassisches Opfer des sogenannten “Übertrainings”. Sie ist frei von chronischen Krankheiten, nimmt keinerlei Medikamente, ist nicht übergewichtig, ernährt sich gesund, läuft 3-4 mal die Woche eine Stunde, macht zwei mal die Woche Kampfsport-Training, fährt einmal die Woche etwa 1-2 Stunden mit dem Fahrrad, gibt sich im Training alle Mühe und wird seit einem Jahr keinen Deut besser in ihren Laufleistungen. In ihren ersten 2 Laufjahren verbesserte sie ihre Bestzeit für 10 km von etwa 61 auf knapp 57 Minuten. Seitdem stagniert sie auf diesem Niveau.


In ihrer Laufkarriere hat sie das Anfänger-Stadium mit kurzen Läufen, langsamer Fortbewegungs-geschwindigkeit und Gehpausen übersprungen.

Aufgrund ihrer leistungsorientierten Persönlichkeit (Hal Higdon nennt diesen Menschenschlag “Make-no-prisoners”-Runner) ist sie noch nie in ihrem Leben mit einem Puls von 115-135 (60-70% ihrer maximalen Herzfrequenz) gelaufen.

Sie hat noch nie ihre Grundlagenausdauer trainiert!


Somit fehlt ihr ein wichtiger Baustein für die Verbesserung ihrer Laufleistungen. Wer schneller werden will, muss zwangsweise auch im Niedrigpulsbereich trainieren. Und zwar einen erheblichen Teil seiner Trainingskilometer.
Das gelegentliche Training im Hochpulsbereich ist lediglich die eine Seite der Medaille der Leistungsentwicklung.


Ich dachte ich habe im Alltag oft genug einen niedrigen Puls, das muß doch reichen” gab Ines zu, dass ich sie durchschaut hatte.


D
er Weg aus dem Dilemma ist so einfach, dass Ines ungläubig mit dem Kopf schüttelte und fast ins Stolpern geriet: Ich empfahl ihr für mindestens 3 Monate folgendes Programm: 2 komplett sportfreie Tage pro Woche. Die Radausfahrt am Sonntag mit angelegtem Pulsmesser und einem Puls von höchstens 130/min. Nicht mehr als 3mal pro Woche laufen. An Tagen mit Kampfsport nur 30 min, ansonsten höchstens 70 min am Stück. Alternativ Bergwandern oder Walking. Und jedesmal, wenn der Puls beim Laufen 130 überschreitet, eine Gehpause von mindestens 2 Minuten einlegen!

Hier protestierte Ines heftig. “Das geht auf gar keinen Fall. Im Westpark kennen mich inzwischen doch schon Alle. Die lachen mich ja aus, wenn ich Gehpausen mache”.

Auch hierfür gibt es eine Lösung:

Ich riet Ines zum “heimlichen” Lauftraining an einem fremden Ort. Im Englischen Garten, der gar nicht weit weg von Ihrer Arbeitsstelle liegt, kennt sie kein Mensch.


Somit der Lauftipp für heute:


Bauen Sie in Ihr Lauftrainig häufig und regelmäßig langsame Läufe im Niedrigpulsbereich ein. Oft genug und ausreichend langsam sollten diese Einheiten sein. Achten Sie dabei nicht auf die Geschwindigkeit Ihrer Beine, sondern auf die Geschwindigkeit Ihres Herzschlags.

Nur so können Sie Ihr tatsächliches Leistungspotential ausschöpfen.


Probieren Sie es aus...
...und Sie bleiben gesund während Sie weiterlaufen!

Ihr


Dr. Tasso Vounatsos www.derlaufdoktor.de


P.S.

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Montag, 18. April 2011

So lassen Sie die Pfunde purzeln

Der Jürgen war schon länger nicht mehr bei unserem Dienstagslauftreff gewesen.
Gut gelaunt und deutlich rundlicher im Gesicht und um den “mittleren Ring”, mischte er sich unter den Haufen der “Rennschnecken” (das ist bei uns die langsamste Lauftreffgruppe mit einem Trainingstempo von schnellstenfalls 6:30/km).
Sollte ich mich richtig erinnern, war er zuletzt im Dezember im Lauftreff und erzählte uns damals von seinen Heldentaten beim Florenz-Marathon, wo er heroisch an der 4-Stunden-Grenze scheiterte.

“Der letzte Winter war lang und ekelig kalt ” sagte er ganz philosophisch. “Länger als ein halbes Stündchen höchstens 2 mal die Woche habe ich mir bei diesen Wetterbedingungen nicht geben wollen” fügte er entschuldigend hinzu. Ich wußte auch dass seine Frau, die Kathi, so hervorragend Streuselkuchen machen konnte, wie ich sonst nur bei der Rosenwirtin gegessen hatte. Kein Wunder also woher die Pfunde kamen.

“Trainer” rückte er mit der Sprache heraus “für dieses Jahr habe ich mir 3 Ziele gesetzt: Zunächst mal mindestens drei mal die Woche Laufen gehen, die 3 Kilo Winterspeck bis zu den Sommerferien (in Bayern ist das Ende Juli) wieder los werden und schließlich am 9. Oktober den München Halbmarathon in unter 2 Stunden laufen. Kannst Du mir einen Trainingsplan machen?”

Klar ist das möglich. Die Strategie steht auf drei Säulen:
1. Ausdauergrundlage schaffen
Die ersten 2 Monate (April und Mai) nicht zu viel/zu schnell laufen, um verletzungsfrei über den Sommer zu kommen. Sprich tatsächlich nur 3 mal die Woche und NICHT öfter laufen. Dabei das Tempo so dosieren, dass 60 min Laufen nicht zur Erschöpfung führt.
2. Gewicht reduzieren
Das Lauftraining so gestalten, dass dabei möglichst viel Gewicht auf der Strecke bleibt. Bei unverändert drei Einheiten pro Woche gehören im Juni und Juli ein langer Lauf am Wochenende (mindestens 90 Minuten) und zwei mal pro Woche das Tempowechsel-Training wie es weiter unten in der “Zauberformel” erläutert wird.
3. Gezielt auf den Wettkampf hin trainieren
Den Trainingsplan für die letzten 8 Wochen vor dem Halbmarathon in 2 Stunden gibt es auf www.derlaufdoktor.de. Es sind die Wochen 16 bis 9 aus dem Plan “Die magische 4- In vier Monaten Marathon unter 4 Stunden”.


Da Jürgen so viele Jahre Lauferfahrung hat, eröffnet sich ihm anschließend die Option – falls er tatsächlich Lust hat- den Trainingsplan weiter zu führen und einen erneuten Marathon-Versuch um die vier Stunden in der zweiten November-/ersten Dezember-Hälfte zu unternehmen.

So nimmt man ab mit Sport - Die „Zauberformel“
Möchten Sie mit Hilfe ihrer Lieblingssportart auch das Abnehmen unterstützen, so empfiehlt sich folgendes Vorgehen:
Zerlegen Sie Ihre Trainingseinheit in drei Abschnitte von jeweils gleicher Länge.
Machen Sie sich mindestens 10 Minuten lang warm in einem Tempo, das dem „Fettverbrennung-Puls“ entspricht - oder noch langsamer! Für unseren Jürgen mit seinen 47 Jahren wäre das ein Puls von 110-120.
Steigern Sie anschließend das Tempo (je nach „Tagesform“) für mindestens 30 Sekunden aber höchstens 1 Minute. Sie sollten sich allerdings dabei nicht komplett verausgaben! Für Jürgen wäre das ein Puls von 155-160.
Fahren Sie anschließend das Tempo wieder herunter und behalten Sie dieses Tempo so lange bei, bis Sie wieder in den „Fettverbrennungs-Puls“ zurückgekehrt sind. Dann können Sie nach obigem Muster wieder „Gas geben“.
Je besser Ihre sportliche Form und ihr Ausdauervermögen werden, desto schneller werden Sie Ihren Fettstoffwechsel-Puls nach der Belastung wieder erreichen. Deshalb werden Sie zunehmend mehr Belastungselemente im mittleren Abschnitt Ihrer Trainingseinheit absolvieren können.
Verkürzen Sie auf keinen Fall Ihr Cool-Down auf weniger als ein Drittel der Trainingsdauer! Es drohen Verletzungen und das gefürchtete Übertrainings-Syndrom.
Somit der Lauftipp für heute:
Fördern Sie gezielt Ihren Gewichtsabbau beim Laufen. Geben Sie zwischendurch ein paar Mal “Gummi” ohne sich zu erschöpfen. Heizen Sie Ihren Stoffwechsel optimal an mit wiederholten Belastungen von weniger als 1 Minute. Das ist der schnellste Weg, um in der anschließenden Erholungsphase ihr Körperfett zu verbrennen!
Probieren Sie es aus...
...und Sie bleiben gesund während Sie weiterlaufen
Ihr
Dr. Tasso Vounatsos www.derlaufdoktor.de

Mittwoch, 2. Februar 2011

Im Winter schneller werden


Der Winter ist für die meisten von uns eine Periode des langsamen Laufens. Wenig einladende Wetterbedingungen machen es uns schwer überhaupt die Laufschuhe zu schnüren. Und wenn wir einmal dick eingepackt in die Kälte rauslaufen, so trainieren wir zumeist in verhältnismäßig langsamem Lauftempo.

Das ist auch gut so! Mit Hilfe der äußeren Bedingungen werden wir im Winter “genötigt” Grundlagen-Ausdauer zu tanken. Das bereitet unseren Körper darauf vor, die später im Jahr folgenden härteren Trainingsläufe und Wettkämpfe gut zu verarbeiten und besser wegzustecken.

Doch jede Medaille hat auch ihre Kehrseite: Ständiges “langsam-Laufen” verkürzt den Laufschritt, vermindert unseren Knie-Hub und die Abstoß-Kraft unserer Füße. Muskeln die für das schnelle Laufen verantwortlich zeichnen, verlieren an Kraft und deren Gegenspieler an Geschmeidigkeit. Wir gewöhnen uns einen kurzen, kraftlosen Bewegungsablauf an, der für Ultra-Läufer bezeichnend ist.

Wer Monate lang nur in maßvollem Tempo unterwegs ist, tut sich schwer wieder in Schwung zu kommen. Gerade die Älteren (über 40) von uns fangen sich im Frühjahr Überlastungs-Schäden ein bei dem Versuch “Hau-Ruck”-artig wieder schneller zu werden. Somit birgt auch die monatelange Schonung, die Gefahr sich alsbald wieder zu verletzen, wenn die Zeit gekommen ist wieder schneller zu laufen.

Eine Möglichkeit, um sich im Winter die Fähigkeiten des schnellen Laufens zu erhalten (oder gar zu verbessern) lautet: Auch bei Kälte und schlechten äußeren Laufbedingungen das schnelle Laufen immer wieder kurz zu üben.
Keine Sorge: Ich plädiere nicht für Intervall-Training oder erschöpfende Tempoläufe bei Frost! Schnelles Laufen bedeutet nicht zwangsweise sich im Training “fertig zu machen”. Vielmehr können Elemente des Sprint-Trainings in die langsamen Winterläufe eingebaut werden!

In einem alten Trainingsbuch für LäuferInnen fand ich die Empfehlung “Three Times Something”. Das bedeutet: Bauen sie in Ihre Dauerläufe 3 Wiederholungen einer Übung zur Verbesserung Ihrer Schnell-Lauf-Fähigkeiten ein.
Ein Beispiel gefällig? Auf einer meiner Trainingsstrecken komme ich nach 20 Minuten an eine Autobahnunterführung. Ich laufe langsam hinab und wechsle beim bergauf laufen aus dem Laufschritt in den Hopserlauf für etwa eine halbe Minute. Mein Puls steigt am Ende des Hopsens auf über 160. Ich drehe eine Schleife von etwa 5 Minuten jenseits der Autobahn und auf dem Rückweg wiederhole ich das Spielchen. Oben angekommen trabe ich 5 Minuten und drehe zurück zur Unterführung, die ich lansam hinunterjogge. Ich drehe am tiefsten Punkt um und hopse wieder hinauf. Das war's. Noch 20 Minuten Dackeltrab und ich bin zuhause. Ich habe in meinen Stundenlauf dreimal etwa 30 Sekunden lang was für die Abstoß-Kraft meiner Füße und für meine Kniehebemuskulatur getan.

Eine weitere Möglichkeit? Auf einer anderen Trainingsstrecke komme ich am Parkplatz eines Laden-Zentrums vorbei. Hier wird auch bei Schnee und Glatteis der Parkplatz immer geräumt und gestreut. Ein flacher Asphalt-Streifen von etwa 80 Meter lädt ein zu flottem Laufen. Ich gebe Gas und mache einen Steigerungslauf mit lang gezogenen Schritt für etwa 10 Sekunden bis fast in den Sprint. Sobald ich merke, dass Willenskraft notwendig wird, trotte ich aus. Ich trabe um das Einkaufszentrum herum und wiederhole den Steigerungslauf noch weitere 2 Mal. Ein wohliges Wärme-Gefühl durchströmt meinen Körper von den Haarspitzen bis zu den Zehen. Ohne mich abzurackern habe ich meinen Körper daran erinnert, wie schnelles Laufen funktioniert. Kein beißen, kein kämpfen, kein Muskelkater dannach!

Viele weitere solcher Elemente können Sie immer mal wieder in Ihre langsame Winterläufe einstreuen. Es können die Treppen einer S-Bahn-Station sein, die Fußgänger-Überführung über die Hauptstraße, der Schlittenberg in Ihrer Nachbarschaft oder der tiefe Schnee auf einem nicht geräumten Fußballfeld (das Sie im Kniehebelauf bezwingen können) und, und, und....

Somit der Lauftipp für heute:
Streuen Sie in Ihre Winterläufe etwas Würze. Geben Sie zwischendurch kurz kräftig “Gas” ohne sich zu erschöpfen. Drei mal pro Lauf, weniger als 1 Minute reicht aus.

Probieren Sie es aus...
...und Sie bleiben gesund während Sie weiterlaufen

Ihr
Dr. Tasso Vounatsos www.derlaufdoktor.de

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